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martedì 16 luglio 2013

Die Rückkehr der italienisc hen Militärinternierten. Il Ritorno dei Internati Militari Italiani

Dal titolo:
"Die Rückkehr der italienisc hen Militärinternierten"

Il ritorno degli Internati Militari Italiani

Karina Zehetner

  ha preparato questo saggio che offre un interessante spunto di riflessione sul ritorno degli Internati Militari Italiani di fonte germanica. Karina, allieva alla Sapienza del prof. Conti e profonda conoscitrice della linga italiana, ha svolto queste ricerche attingendo anche da arichivi austriaaci ( Lei è austriaca) sopratutto a Vienna. Il saggio è pubblicato in un unica giornata per facilità di lettura in due parti la prima contrassegnata da: (A,B,C,D,) la seconda da: (I,II,III, IV) per una mugliore fruizione dei post. 
Contatti ed informazioni tramite prigionia@libero.it 

A Die Rückkehr der italienisc hen Militärinternierten

                                                         

Karina Zehetner[1]
Die italienischen Militärinternierten fanden bei ihrer Rückkehr aus den deutschen Lagern nach Beendigung des Konfliktes weder von der italienischen Regierung, noch von der Bevölkerung selbst, wenig Anerkennung, während die Partisanen der Resistenza, die zu Hause gegen den Feind kämpften und so aktiv zur Befreiung ihres Heimatlandes beigetragen hatten, sich rühmten und sich verherrlichen ließen. Für die Internierten war es jedoch offensichtlich, dass ihre Leiden in den Lagern, nicht nur materiell, sondern vor allem physisch und psychisch weit schlimmer waren, als die von jenen Soldaten, die stolz und offen dem Feind entgegengetreten waren. Und auch die Zahl der Toten war weitaus höher als auf den Schlachtfeldern der Partisanen. Die italienischen Militärinternierten erwarteten sich, dass ihnen von den Partisanen ein glorreicher Empfang geboten würde, angesichts der tragischen Situation, in die sie der Faschismus gebracht hatte. Es kam jedoch anders. Als sie bemerken mussten, dass ihr Heimatland, im Unterschied zu anderen Nationen, bei ihrer Rückkehr ihren Leiden wenig Aufmerksamkeit schenkte, waren sie schwer enttäuscht.[2]


Der Weg nach Hause



Nach dem Selbstmord Hitlers  am 30. April 1945 und  der darauffolgenden Kapitulation Deutschland am 9. Mai, war das Martyrium für einen Teil der Internierten zu Ende. Der Ablauf ihrer Freilassung war von Lager zu Lager verschieden. In den Lagern wußte man bereits vor den Tagen der Befreiung um die ernste Situation für die Deutschen und um ihre bevorstehende Kapitulation, und dass die Niederlage nur mehr eine Frage der Zeit sei. Je nach Position der Lager wurden sie früher oder später von den Briten und Amerikanern übernommen. Leider waren die glücklichen Momente der Freilassung für viele Internierte nur von kurzer Dauer, denn über Hunderttausend wurden trotz Kriegsende von den Amerikanern nach Frankreich zur Internierung gebracht.

Mit der Ankunft der Alliierten verbesserte sich der physische Zustand der Gefangenen und Internierten aufgrund der gesicherten Nahrungsmittelversorgung. Wer nicht zu schwach und krank war, konnte zudem das Lager verlassen. In den deutschen Städten nahe den Lagern, bzw. in denen sich die Lager befangen, herrschte Chaos. Ehemalige Gefangene verschiedenster Nationen zogen durch die Straßen auf der Suche nach Unterkunft und Nahrung. Der Großteil der Internierten fand sich nach der Freilassung verlassen und auf sich allein gestellt wieder. Da die Brücken und Eisenbahnschienen zerstört waren und ihre Instandbringung eine Frage der Zeit war, mussten sie oft Tage lang auf den Abtransport warten. Bis dahin übernahmen zum Teil die Alliierten, vor allem aber das Internationale Rote Kreuz und die Pontificia Commissione (italienische kath. Vereinigung) ihre Versorgung. Da die Internierten keinen gemeinsamen Repräsentanten in den einzelnen Komitees oder Kommissionen der Alliierten hatten, musste jede Vergünstigung zwei oder drei mal ausgehandelt werden. Die italienischen Militärinternierten standen nach ihrer Befreiung vor großen Schwierigkeiten. Diese ergaben sich aus der Tatsache, dass die italienischen Transportmittel rar waren und der Staat Italien keine Machtbefugnis hatte, während die Kommissionen anderer Nationalitäten (Russland, Polen, Franzosen, Holländer, Belgier) mit Leichtigkeit von ihren Landsmännern zur Verfügung gestellt bekamen.[3]

Ein englischer Offizier befreite zum Beispiel am 16. April 1945 die italienischen Internierten aus dem Lager Wietzendorf, denen sich eine Anzahl von französischen Kriegsgefangenen, allesamt Offiziere, anschloss. In Bergen-Belsen, wo das französische Kommando mit der SS und den Engländern einen Waffenstillstand vereinbart hatte, wurde das Lager ebenfalls evakuiert und die Italiener konnten die englische Grenze überschreiten. Kurz darauf wurden die französischen Offiziere mit Flugzeugen heimgebracht. Die Italiener hingegen wurden erst nach einer Woche nach Wietzendorf gebracht. Während die französischen Offiziere hier als „Alliierte“ bezeichnet wurden, führten die Italiener nur den Status „Co-Kriegsführende“, welcher aber ebenfalls nicht von allen Alliierten anerkannt wurde. Die Ex-Internierten hatten weder Kontakt zur Regierung noch zu den italienischen Militärkommandos. Die Befreiung aus dem Lager, so Vittorio Giuntella, bedeutete nicht die sofortige Heimreise, es war eine schmerzhafte Niederlage des Enthusiasmus.[4] Einige versuchten zu Fuß aufzubrechen, wurden doch sehr bald wieder von den Amerikaner ins Lager zurückgebracht, wo zumindest auf die Schwächeren der Tod wartete. Ein Fluchtversuch war nicht leicht: Abgesehen vom schlechten Gesundheitszustand verfügten die Gefangenen weder über Geld noch hatten sie Sprach- oder Ortskenntnisse. Oft dauerte das Warten auf den Abtransport bis zu einem Monat.[5] Ein Ex-Internierter beschreibt den Rückweg als ein zweites Trauma, das überstanden werden musste. „Es war fast so als ob man von einer anderen Welt kommt, und es ist unmöglich sich den Grad unserer Desorientierung vorstellen zu können.“[6]

Die Heimreise wurde zu zweit, zu dritt oder in Gruppen, mit Fahrrad,  Motorrad, Zug oder Auto in Angriff genommen. Motorisierte Fortbewegungsmittel mussten oft aus Mangel an Benzin zurückgelassen werden. In vielen Fällen wurde die Abreise von den Alliierten organisiert. Bei den Italienern war es das Hilfswerk des Vatikans, die P.O.A. (Pontifica Opera Assistenza), das als erste Lastwägen organisierte, um ihre Landsleute heimzubringen. Je nördlicher die Internierungsstätten waren, desto länger mussten sie auf die Abreise warten, in vielen Fällen bis Ende August. All jene, die auf österreichischem Gebiet interniert waren, machten sich zu Fuß auf den Heimweg. [7]

Die italienische Regierung versuchte erfolglos das Interesse der Alliierten für eine rasche Abwicklung der Heimreise zu gewinnen. Auf die Bitte um Unterstützung von Ratspräsidenten Bonomi antworteten die alliierten Behörden, dass niemand nach Deutschland gehen könne um sie abzuholen: „Und die Kriegsgefangenen werden dann heimkehren, wann sie an die Reihe kommen. Da gibt es nichts zu machen.“[8] Trotz dieses Kommentars der Alliierten ließen sich die italienischen Vertreter des katholischen Hilfswerkes nicht entmutigen und baten um eine Audienz beim Papst. Ihn überzeugten sie von der Dringlichkeit des Heimtransportes und versuchten seine Unterstützung zu gewinnen. Tief getroffen von den schrecklichen Umständen, in denen sich die italienischen Internierten befanden, ließ der Papst Pius einen Vertreter nach Deutschland entsenden, um in seinem Namen die Alliierten zur Intervention in dieser Angelegenheit zu bitten. Einen Tag nach Ankunft dieser Nachricht begannen die Alliierten mit dem Heimtransport der italienischen Gefangenen. Auch wenn die Alliierten bei der Räumung der Lager mit enormen Problemen konfrontiert waren, waren diese im Vergleich zur Situation in Italien nach der Rückkehr minimal. Traurig und zufrieden zugleich verließen sie die Lager, zum einen immer in Gedenken an die Tausenden, die ihr Leben lassen mussten, zum anderen in der Hoffnung auf ein baldiges Wiedersehen der Geliebten zu Hause. Jeder respektierte das lange Schweigen des anderen. Nicht nur die Erfahrung war zu verkraften, sondern auch Schuldgefühle, die auf ihnen lasteten. Es schien ein Gefühl der Schuld zurückgekehrt zu sein. Oft hörte man die Frage: „Warum ich und nicht er?“[9].

In den Tagebüchern der Heimkehrer werden immer wieder die großen Emotionen betont, die die Überquerung des Bremmers auslöste.  Wieder heimatlichen Boden unter den Füßen zu spüren, das Gefühl der Vertrautheit, die Nähe zur Familie war überwältigend. Die erste Etappe war über Pescantina, in der Nähe von Verona, wo die Heimkehrer eine Dusche nahmen und desinfiziert wurden. Der Aufenthalt dauerte im Durchschnitt zwei bis drei Tage, die Reise wurde anschließend mit Zivil- oder Militärfahrzeugen fortgesetzt.
Die Internierten wurden in Richtung Mailand, Udine, Como oder Bologna gebracht, wo sich die Sammelstellen für die Weiterreise in den Süden befanden.[10] Die Aufnahme und Betreuung in den „posti di ristorso“ wurde dem italienischen Roten Kreuz anvertraut, das wiederum der freiwilligen Mithilfe der Bevölkerung bedurfte. Trotz der Anstrengungen, die diese Organisationen auf sich nahmen, waren die Heimkehrer enttäuscht. Sie bemerkten die fehlende Unterstützung durch die staatlichen Behörden und wurden sich so dem fehlenden Interesse an ihrem Schicksal bewusst. Alle Entschädigungserwartungen wurden enttäuscht. Die Situation in Italien zeigte sich                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                      katastrophaler als noch während des Krieges, die Heimkehr der Kriegsgefangenen war für die Regierung eines der kleineren Probleme, die sie bedrängten.[11] Die karitativen Initiativen des katholischen Hilfswerkes P.O.A. wurden besonders von den heimkehrenden Internierten nicht geschätzt, so Bertacchi. Die negativen Aussagen lassen vermuten, dass die Enttäuschungen und Desillusionen gerade auf die erste Instanz, welche die Heimkehrer aufnahm, projiziert wurden:

Die große Enttäuschung war die Ankunft in Bergamo, sie hatten uns in die Clementina (Sammelzentrum) geschickt......mir haben sie ein Paar Socken gegeben.....das war die Bezahlung. Und als wir in Schilpario ankamen, haben sie uns ein Kilo Salz gegeben.“[12]

„...Wir sind am Abend in Bergamo angekommen, wir hofften auf ein ordentliches Essen hier. Wir waren seit drei Tagen unterwegs....dann war die Flasche eine Wasserflasche, ein bisschen Brot und ein kleines Stück Käse und wir gingen schlafen....“[13]

„Die Behandlung die uns die Klosterschwestern in der Pescantina  zukommen haben lassen.......die Behandlung für jene die aus Deutschland kamen: Sie gaben dir einen Teller Reis, Risotto, ja, sie gaben dir zu essen. Ich weiß, dass wir heimgekehrt sind, wir haben einen Teller Reis gegessen, er war gut, wir fragten, ob noch etwas davon übrig ist, sie hat gesagt es gibt nichts mehr, während die anderen Klosterschwestern draußen waren und ihn den Hühnern gegeben haben.[14]

Diese verbreiteten negativen Aussagen der ehemaligen Internierten über die erste Hilfeleistung spiegeln für Giovanna Bertacchi die Tatsache wider, dass im Bezug auf die Hilfeleistung der Konsens mit den Empfängern nicht funktioniert hätte. Dieses Phänomen kann auf die starke Präsenz der katholischen Hilfsorganisationen durch die Vorherrschaft der Christdemokraten in der Nachkriegszeit zurückgeführt werden. Im Sommer 1945 war die anfängliche Unterstützung von Seiten des C.L.N. (Komitee der nationalen Befreiung) für die ehemaligen Internierten eher als ein Zeichen der Aufmerksamkeit und der Solidarität zu verstehen. Für die Zukunft erhoffte man sich vom „Ufficio provinciale assistenza“ (regionales Hilfsamt) wirkungsvollere und effektivere Vorkehrungen. In allen Fällen wurde die Hilfeleistung des P.O.A. und die folgenden Zuschüsse der weltlichen Institutionen als spöttische, lächerliche Entschädigung empfunden, die ohne konkrete Bestimmungen, - teilweise sogar mit persönlicher Diskriminierung -  auf der Basis von Empfehlungen, politischen Sympathien, etc. verteilt wurden.[15]




Die Ankunft in der Heimat: Illusionen und Frustrationen


Es war nicht immer eine glückliche Heimkehr, im Gegenteil, die meisten Fälle zeigen eine bittere Konfrontation mit der Realität und ein Gefühl, das Freude und Schmerz in sich vereint. Geliebte Personen waren Opfer des Krieges geworden und in vielen Fällen lag das Elternhaus in Trümmern. Zusätzlich machte die schmerzende Gleichgültigkeit der Mitmenschen, auch der Freunde und Verwandten,  die Heimkehr zu einem tragischen Erlebnis. Die Ankunft im Vaterland Italien gestaltete sich anders als in 20 Monaten ersehnt worden war. Die erwartete Heimkehr als Held, als wiedergefundener Sohn, entpuppte sich als Illusion. Die einzige Auskunft, die man von den Heimkehrern forderte, waren Notizen von noch nicht zurückgekehrten Angehörigen. Niemand interessierte sich dafür, wer sie waren, ob Feige oder Helden, oder wie sie als Sklaven in Deutschland endeten. Uninteressant waren ihre Leiden. Nicht nur die Aufnahme im Vaterland war eine Frustration und Illusion, sondern auch die sich dramatisch verschlechterte ökonomische Situation der Familie war für viele eine noch schmerzlichere Erfahrung. Die Wiedereingliederung in die Zivilgesellschaft gestaltete sich schwierig, waren sie einerseits physisch frei, so blieben sie andererseits doch Gefangene ihrer Erinnerungen. Zweifel am Glauben an das Vaterland keimten in ihenen hoch, geschürt vom Misstrauen und der Gleichgültigkeit ihrer Landsleute.[16]

Giuliana Bertacchi beschreibt die Problematik der Aufnahme der Kriegsheimkehrer bei ihrer Rückkehr sehr ausführlich. Wenn man sich dem Argument annimmt, wird man in den meisten Fällen auf eine Reihe von negativen Gefühlen und Einstellungen treffen: Gleichgültigkeit, Belästigung, Unterbewertung und Ablehnung. Um das zu bestätigen, meint Bertacchi, brauche man nur eine kurze Analyse der italienischen Geschichtsschreibung zu den Ereignissen des Zweiten Weltkrieges und den ersten Jahren der Republik vornehmen. Man wird erkennen, dass diesem Problem wenig Aufmerksamkeit gewidmet wurde. Diese fehlende Anerkennung des dramatischen Problems der Heimkehrer kann ihrer Meinung nach in bestimmter Weise auch das kollektive Gedächtnis verändert haben. Die Gefangenschaft verursacht, - auch unter humanen Umständen, -immer einen Bruch der Entfremdung. Die Deprivation der Nachrichten und der Kontakte mit der Außenwelt ist eine der bedauerlichsten Aspekte der Gefangenschaft. Die Entfremdung steigt proportional mit den Leiden, dem Hunger, den Misshandlungen bis zur Auslöschung der eigenen Identität.  Italien, so ein Ex-Internierter, war ab einem bestimmten Zeitpunkt eine vernebelte Sache für ihn. Es gab für ihn Momente, in denen er sich nicht mehr sicher war, ob er in Italien geboren sei, oder ob es sich bloß um eine Erzählung handelte.

Die Vorstellungen der Internierten von ihrem Heimatland und das Land, das sich den Heimkehrern bei ihrer Ankunft präsentierte, stimmten nicht überein.[17] Besorgnis und Angst vor dem Unbekannten, vor dem, was einem hinter den Grenzen erwartet, waren die dominierenden Elemente der Aussagen der Ex-Internierten. Die Gefühle der Heimkehrer in diesen Tagen waren teilweise sehr konfus, denn einerseits waren noch die Ängste einer schrecklichen aber zurückliegenden Situation präsent, und anderseits befanden sie sich in einer Situation, die für sie neu war. Nicht alle konnten sich erinnern, Freude und Berührung bei der Ankunft verspürt zu haben. In einzelnen Fällen bemerkten die Heimkehrer nicht zu Hause angekommen zu sein. Für viele bestand die Erinnerung nur aus Gefahren der letzten Etappe ihrer Strecke über den Brenner oder nach Tarvis. Die Realität konnte vom patriotischen Paradigma des Heimkehrers der den Boden seines Vaterlandes küsst, kaum ferner liegen. Das dominierende Element blieb die Unsicherheit. Doch diese Angst wurde den Heimkehrern nicht genommen, denn die Haltung der Bevölkerung ihnen gegenüber war feindlich. Es war die Feindlichkeit und Gleichgültigkeit einer Bevölkerung, die einen Teil der Verantwortung für das Dilemma den Heimkehrern anlastete.[18] Die Art der Aufnahme und des Empfanges hing aber in vielen Fällen auch davon ab, wo die Heimat des Rückkehrers lag. Aus den Interviews von Nicola Labanca geht hervor, dass zum Beispiel ein ehemaliger Internierte mit einem reichen, von der Gemeinde organisierten Festessen begrüßt worden war. Labanca verweist darauf, dass die Ankunft in kleinen Gemeinden sehr verschiedene Vorteile mit sich brachte, während die Ankunft in größeren Städten kaum beachtet wurde, und viel schwieriger war. In den kleinen Gemeinden mit ihren Traditionen und den viel engerem Sozial- und Beziehungsnetz, war es auch nicht unmöglich, dass sich ein Ex-IMI und ein Ex-Partisane trafen, und ihre gemeinsamen Erfahrungen austauschten, indem sie das Drama eines gemeinsamen nationalen Gedächtnisses rekonstruierten. Dieser Unterschied zwischen Stadt und Land wird auch später, im Zeitraum der Arbeitsvermittlung, wieder evident. Wie aber aus den Interviews von Labanca hervorgeht, war die ländliche Idylle bei Ankunft meist nur von kurzer Dauer, denn schon bald folgten nächtliche Alpträume, psychische Krisen und die Schwierigkeiten der Wiedereingliederung ins Zivilleben.[19]

Die Aussagen der Interviews, die Giuliana Bertacchi mit italienischen Ex-Internierten gemacht hatte, beschreiben sehr gut die Enttäuschungen und Desillusionierungen der Heimkehrer. Die negativen Erlebnisse bei der Ankunft dominieren ihre Erinnerungen, Italien war für viele schlimmer als zuvor. Die staatlichen, zivilen und vor allem            militärischen Institutionen blieben den ehemaligen Internierten in schlechter Erinnerung. Die staatliche Eisenbahn bestand auf das Lösen einer Fahrkarte, der militärische Bürokratismus machte auch vor ihrer Heimreise keinen Halt. Die Reise in Italien mussten viele in Viehwaggons fortsetzen, wenn sie in Gruppen organisiert waren, und ihre Kleidung nur aus schmutzigen Fetzen bestand. Präpotenz und Verachtung bestimmte das Klima in den Zügen. Die Revolution der Preise verschlimmerte das Elend. Bitter war die Erkenntnis, dass als sie mit einem Glas Wein auf ihre Rückkehr anstoßen wollten ihr Geld nichts mehr wert war.[20]



[1] Per  i lettori italiani. La Associazione Nazionale Reduci dalla Prigionia, dall'Internamento e dalla Guerra di Liberazione e loro familiari ha sempre perseguito il contatto con il mondo accademico, sia italiano che straniero al fine di poter elevare sempre più il livello scientifico della propria attività editoriale. Oltre alla  collaborazione di professori universitari e ricercatori, si è entrati in contatti con giovani studenti laureandi che hanno accettato di sostenere tesi di laurea di interesse per l‘Associazione, ricevendo in cambio ogni sostegno scientifico possibile. Fra questi, una delle prime è stata l‘autrice di questo saggio, che è parte integrante della sua tesi. E‘ con vivo piaciere che si ospita, in attesa della pubblicazione su "Porte della Memoria" questo saggio, a signifcare che quando si vuole andare verso i giovani e a far conoscere gli eventi del 1943-1945, si agisce sul piano delle cose concrete.  L'Autrice ha frequentato l'Università la Sapienza è si è laureata con il Porf. Giuseppe Conti.
[2] Vgl. Lops, Il Messagio degli IMI, S 91-92.

[3] Dragoni, La scelta degli I.M.I., S 353-362.
[4] Vgl. Giuntella, Vittorio. In: Vaenti. 1996. S 83.
[5] Giuntella, Vittorio. In: Vaenti, Il ritorno dei lager, S 83.
[6] De Bernard. In: Vaenti, Il ritorno dei lager, S 83.
[7] Vgl. Finati, Le giovani generazioni del Fascismo, S 308-311.
[8] Don Pasa, In: Dragoni, La scelta degli I.M.I., S 365.
[9] Vasari. In: Vaenti, Il ritorno dei lager, S 84.
[10] Vgl. Dragoni, La scelta degli I.M.I., S 365f.
[11] Vgl. Dragoni, La scelta degli I.M.I., S 368.
[12] Pizi, Abraham. Ex-Internierter, Zeugenaussage. In: Bertacchi, Il reinserimento die reduci, S 277.
[13] Magri, Franco. Ex-Internierter, Zeugenaussage. In: Bertacchi, Il reinserimento dei reduci, S 277.
[14] Pesenti, Vittorio. Ex-Internierter, Zeugenaussage. In: Bertacchi, Il reinserimento dei reduci, S 278.
[15] Vgl. Bertacchi, Il reinserimento dei reduci, S 280.
[16] Vgl. Sommaruga, No!, S 206.
[17] Anm.: Diese Tatsache muss auch bei der Interpretation der Subjektivität des Heimkehrers immer berücksichtigt werden, so Bertacchi.
[18] Bertacchi, Il reinserimento die reduci, S 272.
[19] Vgl. Labanca, La memoria del ritorno, S LXI.
[20] Vgl. Bertacchi, Il reinserimento dei reduci, S 274.

B Die Rückkehr der italienisc hen Militärinternierten



7.     Das Schweigen der Internierten


Die schwierigste Grenze, die zu überschreiten war, war nicht die des Staates, sondern jene des häuslichen Kreises der eigenen Stadt oder des eigenen Dorfes. Es war der Kreis, der sich um die Familie konzentrierte, und dem sich die Heimkehrer mit Angst und Sorge näherten. Die Gefangenschaft hatte nicht nur das Äußerliche verändert, sondern hatte vor allem die affektive Kommunikationsfähigkeit geschädigt, den Einklang mit der gewohnten Umgebung, mit dem normalen Leben.  Ein Ex-Internierter schilderte seine Ankunft im Kreis der Familie:

„...Mein Vater rannte mit dem Herz in der Lunge aus dem Haus, der Arme, ich kann mich noch gut erinnern. Nichts.....wir umarmen uns, alle Feierstimmung.... Meine Mutter weinte, mein Vater weinte, es weinten alle. Ich nicht, ich weinte nicht, ich bin ein wenig abgehärtet, ein bisschen unsensible in Bezug auf einige Sache.“ [....]  Mein Vater sagte mir: „Was machst du hier?“ Er fragte mich,  warum ich nicht ein wenig aus dem Haus gehe? Aber ich konnte nichts trinken, mir ging es nicht so gut. Mein Vater hörte nicht auf zu schreien: „Was machst du hier, warum gehst du nicht ins Gasthaus?“ Er wollte nicht, dass ich im Haus bleibe. „Geh ins Gasthaus, trink doch mit den anderen!“ um nicht hier zu bleiben und auf die Sachen zu starren[1]

Claudio Sommaruga, Ex-Internierter, sieht die Befreiung aus den NS-Lagern und die Rückkehr in die Heimat als einen Übergang in das „Lager Italien“[2]. Physisch frei, doch Gefangener seiner Gedanken. Die Gleichgültigkeit und das Unverständnis von Seiten der Bevölkerung führten einerseits zur Frustration, andererseits kam erschwerend dazu, dass ihm der moralische Beistand seiner „Gruppe“ fehlte, und ihm so das Gefühl des Alleinseins vermittelte. Anfangs passierte es ihm, dass er sich seines Schicksals wegen schämte: „Wenn sie mich danach fragten, was ich nach dem 8. September gemacht hatte, versuchte ich schnell den Diskurs zu wechseln.“[3] Mit der Zeit stelle sich ein Minderwertigkeitskomplex gegenüber den „anderen“ ein, den Partisanen, die als Helden gefeiert wurden. Es war so, als ob das dramatische Massenopfer, der gewaltlose Widerstand, nichts wert war, so Sommaruga. Er selbst und seine Kollegen waren sich des Wertes ihres Opfers wohl bewusst. Der Historiker Della Santa sieht dies in gleicher Weise, auch wenn das Werk der Internierten in ihrer Heimat nicht verstanden wurde, ließen sie in gemeinsamer Diskussion nie einen Zweifel an der Richtigkeit ihrer Entscheidung aufkommen. Sie traten nie mit Forderungen an die italienischen Behörden oder an die Bevölkerung heran.  Trotz den Schwierigkeiten, die sie und das Land nach ihrer Rückkehr zu bewältigen hatten, akzeptierten sie, was man ihnen gab, ohne den Behörden bei ihrer Wiedereingliederung zur Last zu fallen.[4] Ugo Dragoni bezeichnete dieses Verhalten als „das Schweigen des Internierten“[5]. Sommaruga sieht in dieser gleichgültigen Aufnahme ein große Ungerechtigkeit:
Die Juden hatten keine Wahl zu treffen, die Patrioten entschieden sich für eine unwiderrufliche, indem sie der Resistenz beitraten, wo es kein zurück mehr gab. Doch wir, die Internierten, wir führten eine durchgehende Entscheidung, für zwanzig Monate, eine zu jedem Zeitpunkt widerrufliche: ein entfremdenderer  Schmerz als der Hunger.“[6]

Sie fühlten sich nicht wie Helden, denn Helden sind Ausnahmen und treten aus der Masse hervor, doch die Internierten waren eine stolze Masse, die zu einem teuren Preis ihre Pflicht erfüllten. Sie verlangten keine Ehrungen, jedoch Respekt, sie wollten kein Mitleid, so wollten gemeinsam mit all den anderen, geachtet oder nicht geachtet, ihr Land wieder aufbauen. Die „anderen“, so Sommaruga, versuchten die Leiden und die Trauer des Krieges von sich abzuschütteln, sie begannen Boogie Woogie zu tanzen, und dabei störten die bitteren Erzählungen der Internierten. „Man ließ uns nicht sprechen, und wir hatten doch soviel zu erzählen. Man fragte uns auch nicht, es interessierte niemanden und deshalb konnte uns auch keiner verstehen, oder wollte uns keiner verstehen. Wir wollten darüber sprechen, wir wollten das drückende Gewicht loswerden, doch erinnern bedeutete Wunden öffnen und deshalb schwiegen wir auch gegenüber unseren Kindern.“[7]

Die Rückkehr ins Heimatland und in den Kreis der Familie war für viele ein weiteres dramatisches Erlebnis. Raimondo Finati, Ex-Internierter, bezeichnet die Zeit als „il Dopolager“ (die „Nachlagerzeit“), für ihn, aber auch für alle anderen Ex-Internierten, ist diese Zeit noch immer nicht zu Ende, und wird auch nie zu Ende gehen. Sie wird nur mit seinem Verschwinden beendet sein, so Finati. Es ist eine Zeit, die immer mitgetragen wird, etwas Undefinierbares, das ihn, und mit Sicherheit auch viele seiner Kollegen, auch heute beunruhigt. Die Ursache für die ständige Präsenz dieser Gedanken sieht er in dem fehlenden Ventil der Erlebnisse in der Zeit der Rückkehr. Es war unmöglich mit den anderen über diese Erlebnisse zu sprechen, nicht einmal die Eltern oder Verwandten waren fähig zur Kommunikation, denn auch sie waren verzweifelt, erschöpft und zerstört durch die schrecklichen Leiden, die sie ertragen mussten. Auch sie, so Finati, erzählten uns oft nichts über ihre Leiden, und so taten es auch wir mit unseren. Die Verdrängung der Leiden war ein sehr allgemeines Phänomen.[8]

Paolo Desana beschreibt seine Heimkehr von den deutschen Lagern folgendermaßen: „Ich hielt mich nicht damit auf, den Effekt, den diese Heimkehr nach Italien auf uns hatte, zu beschreiben. Wir sahen Italien wieder. Wir hofften unsere Familien noch vollständig aufzufinden. Ich fuhr von Pescantina (Sammelzentrum für die Heimkehrer) ab, kam nach Casale Monteferrato und traf meine Familie am Schlossplatz. Ich sah sie an, umarmte sie und dann, zu Hause angekommen, sagte ich: „Ich erzähle euch meine Geschichte, und dann Schluss damit.“ Für 30 Minuten habe ich erzählt und dann habe ich nie mehr davon gesprochen.“[9] 

Nach der Heimkehr von der Gefangenschaft haben viele diesen Weg gewählt, nicht nur jene die nach dem 8. September 1943 in die Lager des Dritten Reiches geschafft wurden, so Massimo Sani.[10] Viele Faktoren sind für dieses Schweigen verantwortlich, doch in Bezug auf die ehemaligen Militärinternierten, war die Enttäuschung und die Frustration bei ihrer Ankunft für ihr Verstummen ausschlaggebend. Hinzu kommt die fehlende Anerkennung in den ersten Jahren der demokratischen Regierung. Giovanni Guareschi, Ex-Internierter, verlieh in seinem Tagebuch seiner Desillusioniertheit Ausdruck:

„Für meine Lagerkameraden bleibe ich immer die Nummer 6865 und deshalb zähle ich allein für einen. Dort, in diesem Sand und in dieser Melancholie, entledigte sich jeder seiner Kleider und seiner Hülle und blieb nackt. Es zeigte sich das, was man wirklich war.
Es half auch die Tatsache nichts, dass dieser Typ einen großen Namen hatte oder eine wichtige Stellung: Jeder zählte für das, was er wert war.
Man muss sagen, jeder zählte für eine Einheit. Und jeder wurde für das betrachtet und geschätzt, was er machte. Wir standen alle gemeinsam mit den Füssen vor der Realität. Für fast zwei Jahre haben wir in der wahren Demokratie der Ehrenmänner gelebt: Heute nehmen viele von unseren Kameraden in dieser falschen Demokratie von Ehrenmännern wichtige Posten im öffentlichen und privaten Leben ein. Und vielleicht sind einige unter ihnen keine Ehrenmänner von damals mehr, denn der Mensch ist immer das Produkt der Umwelt in der er lebt.  [...]
Wir haben nicht wie Bestien gelebt. Wir haben uns nicht in unseren Egoismus eingeschlossen.  Der Hunger, der Dreck, die Kälte, die Krankheiten, die verzweifelte Sehnsucht nach unseren Müttern oder unseren Söhnen, der finstere Schmerz durch das Unglück unseres Landes haben uns nicht besiegt. Wir haben nie vergessen, dass wir zivile Männer sind, Männer mit Vergangenheit und Zukunft.“ [11]

Die Seite aus Guareschis Tagebuch drückt sehr gut die Enttäuschung der Ex-Internierten nach ihrer Rückkehr ins Heimatland aus. Nicht nur die fehlende Aufnahme löste die Enttäuschung aus, sondern die ideale Welt von Heimat und Familie, die sie    lange erträumt hatten, in ihren Gedanken vorhanden war, jedoch im Lichte der Realität verschwand und Bitterkeit hinterließ.

Hugo Dragoni stieß bei seiner Recherche auf die gleichen Phänomene wie Claudio Sommaruga, Paolo Desana oder Raimondo Finati. Die erste Enttäuschung widerfuhr den Ex-Internierten bei ihrer Rückkehr bereits in der Familie, wenn sie von ihren Hungerleiden, den Bombardierungen, der Folter etc. erzählten, mussten sie sich anhören, dass auch die in Italien verbliebenen Verwandten die gleichen Leiden ertragen hatten. Es war schwer, eine Graduierung der moralischen und physischen Leiden vorzunehmen, sie konnten ihr unfassbares Martyrium den zuhause Gebliebenen nicht mitteilen. Noch schwieriger war es jedoch, zu erklären, wie es war, sich 17 oder 18 Monate hindurch gegen den Betritt zur Republik von Salò entscheiden zu müssen,  wenn dadurch alle Leiden zu Ende gewesen wären. Nur untereinander konnten sich die ehemaligen Internierten austauschen, denn nur die Lagerkameraden verstanden einander, so Dragoni.

Nach dem Unverständnis von Seiten der Familie, folgte das der Behörden und der Autoritätspersonen, die die Heimkehrer aus deutscher Gefangenschaft vernachlässigten. Sie taten es nicht mit schlechter Absicht, sondern waren aufgrund der vielen Probleme mit denen Italien nach dem Krieg zu kämpfen hatte einfach überfordert. Die Folge dieser Umstände war, dass sich die heimgekehrten Internierten vergessen fühlten und sich dieses Gefühl der Ferne in ihren Seelen festsetzte. Schuldgefühle stiegen in ihnen auf, die zu Minderwertigkeitskomplexen führten, ausgelöst durch ihr passives Verhalten im Moment des Waffenstillstandes. Sie bedauerten ihr Verhalten, wenn sie es mit dem aktiven Widerstand der Partisanen oder der Kampfgruppen verglichen, die mit Waffengewalt gegen die Deutschen gekämpft hatten. Die ehemaligen Internierten vermieden es, in der Öffentlichkeit ihre unscharfen Erzählungen preiszugeben. Sie steckten zurück, angesichts der aufsehenerregenden Heldentaten der Partisanen, die die Räume des öffentlichen Lebens besetzten und somit immer auf den Titelseiten der  Zeitungen und im Radio waren.[12]

Die Tatsachen, dass die Angehörigen der Resistenza nach dem Krieg als Helden gefeiert wurden, und dass die Taten der ehemaligen Kriegsgefangenen und Militärinternierten wenig Aufsehen erregten und unmittelbar nach ihrer Heimkehr in Vergessenheit gerieten, waren ein Mitgrund für das Schweigen der IMI.

Die weitverbreitetsten Bilder der Resistenza sind bestimmt jene der Tage nach der Befreiung des Landes. Sie zeigen Gruppen von bewaffneten Partisanen mit strahlenden Gesichtern, die den Moment ihres Sieges festhalten wollen. Mit unvergesslichem Charakter sind diese Aufnahmen ins kollektive Gedächtnis der Bevölkerung eingegangen. Die Momente der Heimkehr der ehemaligen Kriegsgefangenen und Militärinternierten erregten weniger Aufsehen, ihre Bilder sind schwieriger in Erinnerung zu rufen. Der Historiker Giorgio Rochat verweist darauf, dass sich kein Land und kein Heer gerne an die Kriegsgefangenen erinnert:
 „Die Heimkehrer wurden mit Gleichgültigkeit empfangen, ohne jegliches Interesse oder Anerkennung ihrer Opfer und sie fühlten sich erniedrigt gegenüber den Fahnenflüchtigen, die nur an ihre Karriere dachten und gegenüber den Partisanen, denen ausschließlich die Rolle der politischen Erneuerung zukam, und nicht die der Niederlagen und Enttäuschungen.“[13]

Bereits die wenigen Fotos, die unmittelbar nach der Heimkehr gemacht worden sind, lassen erkennen, dass das Bild des Kriegsgefangenen ein anderes war, als das des Partisanen. Die ausgezehrten und verwirrten Gesichter drückten Fremdheit, Leiden  und Angst aus. Es handelte sich dabei nicht um einen gewollten und gesuchten Gesichtsausdruck, wie ihn die Partisanen auf ihren Fotos zu erzeugen versuchten, sondern eher um einen Eindruck von jemanden, der sich selbst nicht erkennen will und auch nicht kann. Die Bildnisse fixieren die Zeichen der Mutationen. Mit dem Charakter der Aufnahmen nach Beendigung des Konfliktes geht auch ihr öffentlicher Gebrauch einher. Das Bildnis des Partisanen wird zur dominierenden Figur des öffentlichen Lebens, woraus das patriotische Paradigma entsteht.[14]

Doch das Schweigen der Internierten wurzelt vor allem in ihren Erinnerungen. Sie mussten für eine zu lange Zeit unter den unmenschlichsten Bedingungen ihr Dasein fristen. Durch dieses gezwungene Zusammenleben nahm ein Egoismus überhand, und ließ, laut Dragoni, die altruistische Komponente des menschlichen Charakters verschwinden. Jeder von ihnen versuchte diese schreckliche Periode für sich zu behalten. Aus Angst nicht verstanden zu werden vermied man es, anderen davon zu erzählen. Die Feststellung, dass sich die ehemaligen Internierten nicht gerne an die Zeit der Gefangenschaft in Deutschland zurückerinnern wollten, ist durch die von ihnen verfassten Schriften eindeutig zu belegen. Im übrigen ist dieser Wunsch des Schweigens auch dadurch zu erklären, dass Menschen dazu neigen sich im Laufe der Zeit nur an die glücklichen Momente zurück zu erinnern, und die schlechten Erfahrungen unbewusst zu verdrängen.

 Dragoni spricht in seinem Tagebuch von vier Faktoren, die für das unerträgliche Leiden verantwortlich waren. Als ersten nennt er die quälende Frage um den Beitritt zur Republik von Salò, die alle Internierten für 19 Monate beängstigte. Den zweiten Faktor  sieht Dragoni im Mangel an Lebensmittel, der für ihre Verrohung verantwortlich war. Um dem quälenden Hunger zu stillen, war man letzten Endes zu jedem Kompromiss bereit, um sich irgendeinen Unterhalt einzuheimsen. Diese Verrohung begleiteten Alpträume, in denen sich die Unsicherheit des nächsten Tages, die Furcht vor dem Zusammenbruch ausdrückten. Dieser Umstand machte ein Zusammenleben unmöglich, denn bei der Verteilung der Suppen und Lebensmittel war einer des anderen Feind. Die Internierten befanden sich in einem ständigen  Kampf, niemand konnte dem anderen vertrauen.

Der Internierten wurde praktisch von allen verlassen, denn das Internationale Rote Kreuz konnte nicht helfen. Die Menge an Lebensmittel, die die Republik von Salò schickte, reichte bei weitem nicht aus, und die Stimme des Königreichs im Süden konnte im Grunde nie wahrgenommen werden. Die italienischen Internierten fühlten sich dem Feinde vollkommen ausgeliefert. Sein Heimatland gab ihm keine Hoffnung, und eine Flucht war durch die Anwesenheit des Feindes in der Heimat, ohnehin undenkbar. Ein weiteres Motiv für das Schweigen der Internierten resultiert aus den unvorstellbar schrecklichen hygienischen Verhältnisse, denen sie Monate hindurch ausgesetzt waren. In den Baracken, in denen teilweise von bis zu 300 Männern hausten, und in denen nie Stille herrschte, gab es keine Möglichkeit zur Erholung. Ein Bett musste mit bis zu 3 Personen geteilt werden. Es fehlte ausreichende Wasserversorgung, eine Pumpe sollte für Tausende von Kriegsgefangenen reichen.[15]

Das Zusammenspiel dieser verheerenden Umstände hatte eine derartig konditionierende Wirkung auf die Internierten, die sich im Schweigen des Großteils der Zurückgekehrten unmittelbar danach ausdrückte. Das Zusammenleben auf engstem Raum im Lager für mehr als 19 Monate brachte die Verrohung der Insassen mit sich, die menschliche Würde wurde vollständig ausgelöscht. Niemand der Opfer wünschte über diese Demütigungen zu sprechen.


[1] Curnis, Bernardo. Ex-Internierter, Zeugenaussage, In: Bertacchi, Il reinserimento die reduci, S 275.
[2] Sommaruga. 2001. S 206
[3] Sommaruga, No!, S 206.
[4] Vgl. Dragoni, La scelta degli I.M.I., S 372.
[5] Vgl. Dragoni, La scelta degli I.M.I., S 376.
[6] Sommaruga, No!, S 206.
[7] Vgl. Somaruga, No!, S 206.
[8] Vgl. Finati, Le giovani generazioni del Fascismo, S 314.
[9] Desana, Paolo. In: Vaenti, Il ritorno dei lager, S 95.
[10] Vgl. Sani. In: Vaenti. 1996. S 95
[11] Guareschi, Givoanni. In: Dragoni, La scelta degli I.M.I., S 376.
[12] Vgl. Dragoni, La scelta degli I.M.I., S 377.
[13] Rochat, Giorgio. In: Bendotti - Bertacchi, Memoria, mito e autorappresentazione, S 678.
[14] Vgl. Bendotti - Bertacchi, Memoria, mito e autorappresentazione, S 687.
[15]  Vgl. Dragoni, La scelta degli I.M.I., S 277-279.