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martedì 16 luglio 2013

C Die Rückkehr der italienisc hen Militärinternierten

Das Schweigen als Konsequenz totalitärer Institutionen:

Konzentrationslager versus Lager der italienischen Militärinternierten



Konzentrations- und Arbeitslager werden in der Soziologie als „totalitäre Institutionen“ bezeichnet. Erving Goffman war einer der Ersten, der sich mit diesem Thema auseinandergesetzte. Dieser von ihm geprägte Terminus beschreibt einen Wohnort, oder einen Gruppenarbeitsplatz, an dem Personen, die aus der Gesellschaft für eine gewisse Zeit ausgeschlossen werden, sich in einer gemeinsamen Situation befinden, und einen Teil ihres Lebens in einem streng geregelten Regime verbringen. Jede Angelegenheit ihres Lebens steht unter autoritärer Aufsicht. In totalitären Institutionen wird den Insassen jeglicher eigene Lebensbereich verweigert. Zusätzlich werden von den Autoritätspersonen alle Phasen des Arbeitstages genau vorgeschrieben, und die Tätigkeiten der Internierten in einem rationalen Plan vereinigt. Goffman bezeichnet totalitäre Institutionen als Zwitterorganisationen, da es sich sowohl um formale Institutionen als auch Wohn- und Lebensgemeinschaften handelt. Ein Arbeitslager wird deshalb als totalitäre Institution bezeichnet, die Grundmotivation eines derartigen Lagers besteht in der Rationalität ihrer Organisation.[1]

Um jedoch diesen Idealtypus einer totalitären Institution besser zu charakterisieren, muss man von der Annahme ausgehen, dass der Mensch in der gegenwärtigen  Gesellschaft dazu tendiert, seine täglichen Tätigkeiten wie schlafen, arbeiten, vergnügen etc, an verschiedenen Orte zu verbringen, ohne jegliche autoritäre Vorschriften oder rationale Schemata. Das Hauptcharakteristikum von totalitären Institutionen ist hingegen der Bruch dieser Barrieren, die diese Lebensbereiche trennen. Die Insassen werden an einem einzigen Ort zusammengefasst, und unterliegen hier einer strengen autoritären Kontrolle. In den meisten Fällen befinden sie sich im engen Kontakt mit ihren Kollegen. Das Hauptcharakteristikum ist die Zerstörung der Identität der Personen durch den Eintritt in eine totalitäre Institution. Man läßt ihr seine aktiven Rollen, hier vor allem den freien Bezug mit der Umwelt, vergessen, und konstruiert eine Barriere zwischen dem Internierten und der Außenwelt. Neben den materiellen Barrieren, wie zum Beispiel Stacheldrähte, wird vor allem eine kommunikative durch den Entzug aller Notizen der Welt außerhalb der Institution, und dem Erschweren und Zensurieren der internen Kommunikation erzeugt. Weitere Verluste und Deformierungen der eigenen Persönlichkeit werden durch die charakteristische Aufnahme erzielt. Es handelt sich dabei um das Kahlscheren der Köpfe, die ständig gemeinsame Dusche, der Entzug aller Habseligkeiten, die Verteilung einer Uniform und einer eigenen Nummer, etc. Die Insassen einer totalitären Institution haben, wie auch in unserem Falle die Internierten, den Charakter von Objekten, die nach den administrativen Richtlinien geformt und abgestumpft werden müssen.[2]

B. Bettelheim prägte den Begriff der „Extremen Situationen“, welche charakteristisch für totalitäre Institutionen sind und zur völligen Transformation der Persönlichkeit führen. Die ersten Analysen vom menschlichen Verhalten in extremen Situationen stammen aus den sechziger Jahren: Ziel war es, herauszufinden und zu verstehen, was ein Aufenthalt in einem Konzentrationslager für ein Individuum bedeutet, und in welcher Weise diese Erfahrung die Persönlichkeit beeinflusst. Konzentrationslager hatten die radikale Mutation der menschlichen Persönlichkeit zum Ziel, um nützlichere Untertanen für den Staat zu produzieren. Bettelheim teilt den Prozess dieser Transformation in zwei getrennte Stadien. Das Erste stützt sich auf den anfänglichen Schock, der durch die Gefangennahme, den Transport in Viehwaggons und den ersten Eindrücken in den Lagern verursacht wird. Das zweite Stadium ergibt sich durch die Anpassung an die Lebenskonditionen des Konzentrationslagers. Der Prozess der Persönlichkeitsveränderung verläuft proportional zur Veränderung der subjektiven Wahrnehmung der Internierten. Es kann als eine Art Identifikation der Insassen mit dem Leben im Lager bezeichnet werden, die Opfer sehen sich nun als Teil des Lagers.[3]

Diese Ausführungen zu den Vorgangsweisen in totalitären Institutionen, hier am Beispiel der Konzentrationslager, sollen dem besseren Verständnis der Konsequenzen nach dem endgültigen Ausscheiden der Insassen dienen. Man darf nicht außer Acht lassen, dass es sich bei den Lagern der italienischen Militärinternierten nicht um Konzentrationslager handelte, sondern ihre Lager als Stalag und Oflag bezeichnet wurden.  Sie wurden im Vergleich unter weniger harten Bedingungen als die meisten Konzentrationslager geführt wurden. Die Analysen von Aufenthalten in extremen Situationen können aber helfen, das Verhalten der italienischen Militärinternierten nach ihrer Rückkehr besser zu begreifen, das von Zeitzeugen nach ihrer Heimkehr als verroht, abgehärtet und unsensibel beschrieben wurde.

Die Desensibilisierung der Insassen gegenüber jeglichen Gefühlsregungen war Teil der anfänglichen Therapie in den Konzentrationslagern. Gleich nachdem die Gefangenen im Lager eingetroffen waren, wurden sie unerträglich brutalen Situationen ausgesetzt. Zum Beispiel wurden sie gezwungen, mit anzusehen wie ein Gefangener von der SS zu Tote geprügelt wird. Oder sie wurden mit den erschreckenden Arbeitsgruppen konfrontiert, die aus Männern bestanden, die mit starrem Blick und mit Wunden bedeckt teilnahmslos an ihnen vorbei marschierten. Solche Szenen sollten im Laufe der Zeit für alle Gefangenen Gewohnheit werden. Es sollte nicht nur von Beginn an jede Sensibilität der Insassen gebrochen werden, sondern vor allem jedes Gefühl von Mitleid und Erbarmen abgetötet werden, um somit die Solidarität unter den Gefangenen zu eliminieren. Man bezeichnete diesen Prozess als „akute Entpersonalisierung“[4], mit dem Ziel der Trennung von Objekt und Subjekt. Die Sensibilität sollte automatisch gelöscht werden.[5]

Solomon bezeichnet diesen Prozess als „sensual deprivation“[6]. Studien zu diesem Phänomen haben gezeigt, dass der menschliche Organismus für seine normale Entwicklung im Lauf seiner Existenz, eine bestimmte Anzahl von Sinnesinformationen erhalten muss, um ein adäquates Verhalten in seiner Umwelt entwickeln zu können, egal ob in der Kindheit oder auch später. Eine ausgeglichene Stimulation durch die Umwelt erzeugt im Individuum den natürlichen Habitus eines menschlichen Seins. Jede zu hohe Abweichung der Einflüsse provoziert ein Ungleichgewicht, das sich negativ auf den Zustand der betroffenen Person auswirkt, aber in einem adäquaten Zeitraum wieder behoben werden kann, wenn die sensorielle Aufnahme nicht zu lange ausbleibt. Im schlimmsten Fall kann diese Störung aber irreversible Folgen haben, ausschlaggebend dafür ist die Länge und die Intensität des Ausbleibens der Sinnesempfindungen.

Sowohl im Falle des Ausbleibens, als auch bei Überlastung, kommt es zum „Informationsstress“[7]. L. Martin geht davon aus, dass dieser psychologische Stress, der in den Konzentrationslagern erzeugt worden war und den der Organismus nicht bewältigen konnte, zu einer Reaktion des Dauerstresses führte, der sich letzten Endes durch psychosomatische Krankheiten äußerte.[8]

Negative Auswirkungen zog auch der Verlust des eigenen Namens und die Zuteilung einer Nummer nach sich. Diese Vorgangsweise der Auslöschung eines persönlichen Attributes stellt einen weiteren Degradierungsfaktor dar. Der Großteil der Internierten entwickelte angesichts dieser Behandlungsmethoden, die ihre Existenz auszulöschen versuchten, einen Minderwertigkeitskomplex. Bei den Überlebenden der Konzentrationslager ließen sich Symptome wie chronische Spannungszustände, Depressionen und Angstzustände feststellen, begleitet von Schlafstörungen und Alpträumen. Viele der Überlebenden klagten über Kopfschmerzen, Müdigkeit, Schwindelzustände, generelle Nervosität und übermäßiges Schwitzen. Eines der typischen Symptome waren chronische Angstzustände, die aus einer vergangenen oder gegenwärtigen Konfusion zu erklären waren, und auf einer unerträglichen Erfahrung basierten.

Diese Konsequenz wird sehr deutlich, wenn die Heimkehrer, einmal ins normale Leben reintegriert, sehr ängstlich auf verschiedene Motive reagierten oder häufig von Themen träumen, die sich auf Erlebtes im Lager beziehen. Weiters konnten auch Störungen des Intellektes nachgewiesen werden. Hier ist vor allem die Amnesie oder auch Hyperamnesie zu erwähnen, aber auch zeitliche Konfusionen sind nicht auszuschließen.[9]

Diese Symptome sind Konsequenzen der traumatischen Erfahrungen und Torturen in den Konzentrationslagern, die eine Auslöschung der personellen Identität verursacht haben. An diesem Punkt ist es wichtig, genauer auf die Unterscheidung zwischen den Bedingungen der Konzentrationslager und denen der Lager der italienischen Militärinternierten einzugehen. Andrea Devoto greift bei seiner Analyse der psychologischen Belastung der italienischen Militärinternierten auf Stephen D. Wesbrook zurück, der sich eingehend mit Militärsoziologie beschäftigt. Bei der Erklärung des Verhaltens der I.M.I. in den Lagern ist vor allem auf die Theorie der Kohäsion in Primärgruppen zu verweisen. Die Mitglieder einer Gruppe tendieren dazu, in Stresssituationen immer geschlossen zu bleiben, wobei sich diese Kohäsion nach dem gemeinsamen Überwinden solcher Situation noch stärker zeigt. Bei externer Bedrohung nimmt die Kohäsion zu, wenn die Gefahr von allen Gruppenmitgliedern gleich stark verspürt wird. Um in der Gruppe zu bleiben, muss der Vorteil größer sein als das Verlassen der Gruppe. Devoto kommt bei seiner Studie zum Schluss, dass im Falle der I.M.I. hauptsächlich diese Gruppenkohäsion und die Zustimmung zu den Regeln der Lager überwog. Das Phänomen steht im völligen Kontrast zu der Situation eines Vernichtungslagers, in dem der Mitgefangene zum größten Feind wurde. Die Symptome wie Gleichgültigkeit, Apathie, sich gehen lassen, Rebellion etc., wie sie aus den Vernichtungslagern bekannt sind, trafen deshalb im Falle der italienischen Militärinternierten nicht zu. Zwar litten sie unter Stresssituationen, die durch die abnormale Situation nach dem Waffenstillstandsabkommen am 8. September 1943 bedingt wurden, doch der Prozess der Eliminierung ihrer Identität blieb aus.[10]

Laut der Psychologin Camila Albini Bravo war der Aufenthalt für die Opfer der Vernichtungslager eine traumatische Erfahrung, die über die Grenzen menschlicher Verkraftbarkeit hinaus ging. Für die Militärinternierten war der Aufenthalt in den Lagern hingegen eine extrem schmerzhafte Erfahrung, die in diesem Fall „an“ die menschlichen Grenzen ging. Die Erklärung dafür liegt in der Tatsache, dass die italienischen Militärinternierten ihre Identität aufrechterhalten konnten. Einerseits blieb bei ihnen der anfängliche Schock aus, andererseits konnte der Prozeß der Entpersonalisierung durch die milderen Umstände abgewehrt werden. Die Militärinternierten waren sich dem Sinn ihres Aufenthaltes bewusst, eine Wahl, die sie getroffen hatten, und mit der sie ein Ziel verfolgten. Die Hoffnung auf ein Wiedersehen mit der Familie blieb die ganze Zeit hindurch aufrecht. Bei diesem Argument stützt sich Bravo auf die Tatsache, dass der Abtransport der italienischen Militärinternierten einem Losreißen von der Familie gleichkam, beim Großteil der Insassen der Konzentrationslager  hingegen ein Zerreißen der Familie darstellte. Dieser Unterschied ist ausschlaggebend für die weitere Entwicklung in den Lagern, denn ein Mensch ohne Hoffnung, Aufgabe und Ziel verliert unter den gegebenen Umständen seine Würde und Identität.

Die italienischen Militärinternierten konnten ihre Würde aufrechterhalten, indem sie bewusst ein „Nein“ zu Mussolinis Republik und der Kollaboration mit den Deutschen vertraten. Die kollektive Gewissheit des Sinnes ihres Tuns trug dazu bei ihre Leiden ertragen zu können. Die Militärinternierten konnten sich untereinander austauschen und schafften es sich in den Lagern zu organisieren, indem sie Tauschbörsen einrichteten, Diskussionsrunden abhielten etc. Die Handlungen trugen notwendig                              zur Sinnstiftung bei. Durch die Konservierung der Persönlichkeit war die Konsequenzen ihres Aufenthaltes in den Lagern weniger traumatisch als für die Überlebenden der Konzentrationslager. Nichts desto trotz litten auch sie nach ihrer Rückkehr an den Folgen dieses menschlichen Alptraumes.[11]

Ehemalige Internierte schildern ihre Geschichten folgendermassen:
Nach 20 Jahren habe ich erzählt was mir widerfahren ist, meine Mama ist gestorben, ohne es zu wissen, meine Frau wollte nicht mehr bei mir schlafen, ich träumte in der Nacht, ich hatte Alpträume, ich habe sie gebissen, dann als ich darüber sprechen musste, sind auch die Alpträume nicht wieder gekommen. Niemand glaubte mir, was passiert war.[12]

„In den ersten Tagen nach meiner Heimkehr fühlte ich mich wie verblödet, ich schaffte es nicht mich ins normale Leben einzufügen, ich hatte sehr wenig Lust mit den anderen Leuten zu kommunizieren, aber auch in der Familie war ich wenig gesprächig. Meine Mutter, wenn sie mich so sah, fragte mich oft, was nicht paßt. Ich antwortete ihr immer ausweichend, ich versicherte ihr, sie sollte sich keine Sorgen machen, und das mit der Zeit alles wieder so sein würde wie früher. In Wahrheit war mein Verhalten psychologisch bedingt, ich war einfach so verwirrt im Kopf, dass ich meine Gedanken nicht ordnen konnte. In den letzten Monaten meiner Gefangenschaft sind zu viele Sachen auf einmal passiert, die mein Leben erschütterten, materiell aber auch sentimental. Ich war jung (23) und meine Kräfte hatten positiv reagiert, auch mit einigen Schwierigkeiten.

Die Nächte verbrachte ich schlaflos und wenn ich es schaffte einzuschlafen, träumte ich ständig davon, allein eine lange Allee hinaufzulaufen, wo an den Rändern Bäume standen, die ohne Leben waren, und zwischen denen ein komisches weißes Licht ohne Widerschein noch Schatten durchschien.
Nach dieser Reise fand ich mich, ohne mir bewußt zu sein wie, in einem Zimmer ohne Fenster und Türen eingeschlossen wieder, und ich versuchte auf jede Weise hinauszukommen, indem ich mit den Händen versuchte die glatten Wände hinauf zu kriechen, um etwas zu suchen, dass mir Hoffnung geben könnte. Es war, als würde ich mich selbst in einem Grab eingeschlossen sehen, wo auch das gleiche eintönig weiße Licht herrschte. [...] Dieser Traum verfolgte mich für Monate.“[13]

Ein Ergebnis von der Studie von Nicola Labanca zur Wiedereingliederung von 92 ehemaligen Militärinternierten besagt, dass die Einsamkeit ein immer wiederkehrender Teil der Erzählungen der Heimkehrer ist. Hier spricht Labanca vor allem von den Schwierigkeiten der Internierten, sich den anderen mitzuteilen und verständlich zu machen.[14] Devoto verweist in diesem Zusammenhang auf die Einsamkeit, deren Wurzeln noch in den Lagern liegt. Für ihn ist die Einsamkeit des Gefangenen ein Charakteristikum des Stadiums der Entpersonalisierung. Devoto spricht hier von vier Formen der Einsamkeit: der Familiären, Sozialen, Umweltbedingten und Kommunikativen. Den familiären Zusammenhang sieht er in der brutalen Trennung von den Verwandten beim Eintritt ins Lager, den sozialen, weil das Individuum generell seine gesellschaftliche Umgebung verliert. Umweltbedingte Einsamkeit ergibt sich aus dem Grund, da der Gefangene Teil einer Arbeits- oder Barackengruppe ist, und sich deshalb allein in Mitten von Personen verschiedener Herkunft und verschiedener Gewohnheiten befindet. Schließlich bleibt die kommunikative Einsamkeit, die aus dem Abgeschnittensein von der Außenwelt resultiert.[15] Dieses Gefühl der Einsamkeit in den Lagern hat mit Sicherheit auch Einfluss auf den moralischen Zustand der Heimkehrer bei Ankunft in den Familien.

Viktor Frankl, Überlebender des Konzentrationslagers Auschwitz, beschreibt in seinem Buch „Un psicologo nei lager“ diese Situation des Schweigens bei der Rückkehr sehr treffend. Über die moralische Deformation hinaus, die den Menschen nach seiner Freilassung bedroht, verschlimmerten, so Frankl, zwei fundamentale Erfahrungen die Situation: zum einen die Verbitterung und zum anderen die Enttäuschung des Heimkehrers. Viele verschiedene Phänomene des öffentlichen Lebens der Gesellschaft, in die der Ex-Internierte zurückkehrt, rufen in ihm Verbitterung hervor. Wenn ein Mensch, nachdem er so extrem gelitten hat, nach Hause zurückkehrt, und mit ansehen muss, wie die Leute ihm nur ein Schulterzucken zugestehen, dann provoziert das Verbitterung, so Frankl. Dieser Mensch beginnt sich zu fragen, welchen Zweck dieses Leiden hatte. Wo immer er auch hinkommt, muss er hören, dass auch die Daheimgeblieben großes Leid erfahren haben. Flankl schreibt, dass es sich in diesem Moment nicht mehr um eine tiefe Abneigung auf Grund der Oberflächlichkeit und der Hartherzigkeit, dem Nächsten gegenüber handelt, sondern, dass sich der Ex-Internierte in diesem Moment der Enttäuschung nur verstecken will, um nichts vom Rest der Welt zu hören. Der Mensch, so Frankl, fühlt sich vom Schicksal verlassen. Nach jahrelangem Glauben, jedem möglichen Leiden widerstehen zu können, muss nun bei der Rückkehr festgestellt werden, dass das Leiden ein Fass ohne Boden ist, dass kein letzter Grad des Leidens existiert. Man kann noch tiefer sinken, immer weiter nach unten, so Frankls Worte.[16]

Die Beschreibung der Rückkehr aus dem Konzentrationslager von Viktor Frankl soll bezugnehmend auf die heimgekehrten italienischen Militärinternierten dazu dienen, ihr Gefühl der Enttäuschung und der Sprachlosigkeit besser verständlich zu machen. Auch wenn im Fall der Internierten die Intensität ihrer Gefühle weniger überwältigend waren, als in Frankls Ausführungen, dürfen sie trotzdem nicht unbeachtet gelassen werden. Die Worte von Carlo Lazzeri verdeutlichen sehr gut diese Tatsache:
„Die Beachtung der Leute blieb völlig aus, man fand nur Gleichgültigkeit. Niemand hatte verstanden was wir gelitten haben, denn vor allem in Volterra, ein sehr linkes Ambiente, sind die meisten Kommunisten, und deshalb existierten für sie nur die Partisanen. Uns gegenüber Gleichgültigkeit. [17]

 

 

 8.       Die gesundheitlichen Folgen


In erster Linie waren die gesundheitlichen Schäden psychologischer Natur, denen unmittelbar nach der Rückkehr schwer Abhilfe verschafft werden konnte. Generell klagten die Heimkehrer über nervöse Störungen und auch über die fehlende Initiative die sozialen Beziehungen wieder aufnehmen zu wollen. Hinweise zu diesem Thema sind bereits in einigen Zeugenaussagen der vorhergehenden Kapitel enthalten. Diese psychologischen Erkrankungen hatten oft längere Verläufe, bis zu Jahren. Sie erschwerten die Wiedereingliederung maßgeblich, sei es nun in affektiver Hinsicht oder in Bezug auf das Arbeitsverhältnis. Zu diesen mentalen Belastungen summierten sich die physischen Leiden, die auf die Entbehrungen und Anstrengungen während ihres Aufenthaltes in den Arbeitslagern zurückzuführen waren. Oft waren es Krankheiten, die erst nach Jahren zum Vorschein kamen und deshalb von Seiten der Gesundheits- und Militärämter der Republik nicht als Folgen der Kriegsgefangenschaft akzeptiert worden waren. Solche Ignoranz verbitterte und isolierte zusätzlich die Ex-Internierten. Labanca beklagt, dass es leider keine statistische Aufbereitung der Krankheitsfälle gibt, denn so wäre es offensichtlich, wie die Erfahrung der Gefangenschaft die ehemaligen Internierten von den anderen Kriegsteilnehmern unterscheidet.[18]

Francesco Volante spricht bereits im Jahr 1965 davon, dass die krankhaften Konsequenzen einer Kriegsgefangenschaft sehr schwer zu erkennen, zu verstehen und  zu behandeln sind. Sie werden von einer Reihe von Faktoren, auf die jeder Mensch unterschiedlich reagiert, beispielsweise Streß, Körperbeschaffenheit, Klima, Ernährung, Krankheiten, bestimmt. Volante meint, um die Pathologie der Internierung in seinem ganzen Ausmaß zu erkennen, sei es notwendig Beobachtungen zu vergleichen, Dokumentationen zu sammeln und zu diskutieren, um schließlich Ergebnisse formulieren zu können. Das Ziel müsste es sein, aus der Internierung resultierende Krankheiten die nötige therapeutische, aber auch rechtliche Unterstützung zukommen zu lassen, auf die Anspruch besteht, so Volante. Volantes erstes Argument bezieht sich auf die Herz- und Blutgefäßerkrankungen, hier vor allem die Arteriosklerose mit all ihren Konsequenzen. Ausschlaggebend für ihre Entstehung sind Infektionskrankheiten, Nephrosen, chronische Eiterungen, Durchfälle, und psychische Traumata, neben neurovegetativen Störungen, die in vielen Fällen bei der Wiedereingliederung ins normale Leben auftraten. Betroffen waren vor allem weniger ausgeglichene Charaktere, so Volante. Infektionskrankheiten, die sehr häufig in den Lagern auftauchten und unzureichend versorgt und geheilt wurden, können sich nach Jahren erst in verschiedensten Krankheiten manifestieren. Ganz speziell muss hier auf die Tuberkulose verwiesen werden, die in den meisten Fällen erst nach der Heimkehr akut wurde und laut Volante vor allem jüngere Männer betraf.

Die zweit häufigsten Krankheiten betrafen den Verdauungsapparat und die Leber, hier besonders Leberzirrhosen, die auf Infektionskrankheiten wie Malaria oder Hepatitis zurückzuführen sind. Weiters waren Gastritis- und Zwölffingerdarmgeschwüre sehr weit verbreitet, wofür ein neurovegetatives Ungleichgewicht verantwortlich war, das durch Stresseinwirkung, abnormale Histaminproduktion und alle möglichen Mängel an Spurenelementen und Vitaminen verursacht wurde. Gastritis war sehr stark verbreitet, und konnte in den meisten Fällen nicht geheilt werden. Symptome wie Sodbrennen, Verdauungsschwierigkeiten, Kopfschmerzen, Schläfrigkeit blieben noch nach Jahre als Spätfolgen zurück. Während der Gefangenschaft wurde kaum jemand von chronischen Durchfall verschont. Die meisten Formen führten sich auf den Ernährungswechsel in der Gefangenschaft zurück, da die Lebensmittel sehr fett- und proteinarm, aber reich an unverdaulicher Zellulose waren. Die unmittelbare Umstellung auf reichhaltige Kost nach der Heimkehr verursachte weitere Probleme. Einige Gefangene bezahlten diese Überforderung ihres Verdauungstraktes mit dem Leben, so Francesco Volante. In den meisten Fällen konnte auch ein starker Parasitenbefall im Darm nachgewiesen werden, ausgelöst durch Verzehr von unreinen oder rohen Lebensmittel. Noch schlimmer war jedoch die Tatsache, dass Jahre nach der Rückkehr bei einem sehr hohen Prozentsatz der ehemals Internierten bösartige Tumore an den Organen auftraten, die auf fehlende prophylaktische Maßnahmen in den Kohlengruben, Mienen, etc. zurückzuführen waren. Krankheiten des Bewegungsapparates wie Rheuma, Arthritis etc. stiegen in diesen Jahren durch die Leiden der Deportierten  stark an.

Bisher wurden nur die am häufigsten aufgetretenen Krankheiten genannt, die noch von einer Reihe anderer ergänzt werden können. Die Befreiung aus den Lagern brachte eine Besserung der körperlichen Krankheiten mit sich, doch oftmals verschlimmerte sich der psychische Zustand. Nicht immer wurde die Heimkehr zu einem freudigen Erlebnis, gerade dann nicht, wenn Familienangehörige während der Abwesenheit verstorben waren.[19]

Es gezeigte sich, dass die Symptome von verschiedensten Krankheiten auch in jedem Moment nach der Befreiung auftreten konnten, und dass man deshalb keine zeitliche Grenze für sie festsetzen kann. Aufgrund fehlender koordinierter Untersuchungen der Krankheitssymptome wurde dieses Faktum im Falle der italienischen Militärinternieten nicht berücksichtigt. Damals fehlte es an Dokumentationen zu Auftauchen und  Häufigkeit der Krankheiten, die die Gefangenschaft verursacht hatte. Eine vollständige medizinische Kontrolle der körperlichen Konditionen der ehemaligen Internierten im Moment ihrer Rückkehr wurde verabsäumt. Grund dafür waren einerseits die zeitlichen Differenzen ihrer Heimkehr, andererseits lag es an der schlechten Ausstattung, bedingt durch die politische Krise und der prekären wirtschaftlichen Situation. Eine gerechte Anerkennung der späteren Folgekrankheiten durch Schadenersatzleistungen oder Pensionierung blieb deshalb aus.[20]


[1] Vgl. Goffman, Asyle, S 83.
[2] Vgl. Devoto, Il comportamento umano in condizioni estreme, S 76f.
[3] Vgl. Martini, Promblemi psicologici dei deportati, S 17-22.
[4] Caleffi. In: Martini, Promblemi psicologici dei deportati, S 22.
[5] Vgl. Martini, Problemi psicologici dei deportati, S 26.
[6] Vgl. Solomon, In: Martini, Problemi psicologici die deportati, S 26.
[7] Miller, In: Devoto, Il comportamento umano in condizioni estreme, S 39.
[8] Vgl. Martin, In: Devoto, Il comportamento umano in condizioni estreme, S 39–40.
[9] Vgl. Martini, Promblemi psicologici dei deportati, S 37f.
[10] Vgl. Devoto, Considerazioni psicholgiche, S 136ff.
[11] Vgl. Bravo, Analisi del comportamento umano.
[12] Carpene, Niccolò, Ex-Internierter, Zeugenaussage, In: Labanca, La memoria del ritorno, S 26.
[13] Guasconcini, Carlo, Ex-Internierter, Zeugenaussage, In: Labanca, La memoria del ritorno, S 159.
[14] Vgl. Labanca, La memoria del ritorno, S LXI.
[15] Vgl. Martini, Problemi psichologici dei deportati, S 44-45.
[16] Vgl. Frankl, Uno psichologo nei lager, S 146-151.
[17] Vgl. Lazzeri, Carlo. Ex-Internierter, Zeugenaussage, In: Labanca, La memoria del ritorno, S 53.
[18] Vgl. Labanca, La memoria del ritorno, S LXII.
[19] Vgl. Violante, La patologia tardiva, S 93-97.
[20] Vgl. Dragoni, La scelta degli I.M.I., S 37f.

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